Schon Stunden bevor die Teilnehmer Köln überhaupt verlassen hatten, liege ich nach dem Schwimmen im Garten und muß immer wieder Männer davon abhalten, sich im angrenzen Wald zu verlaufen.
Zielsicher steuerten sie auf der Suche nach guten Zuschauerpunkten ins Nichts.
Die Stelle, an die ich selbst vorhatte zu gehen, soll fußläufig erreichbar sein und einigermaßen actionreich.
Ich habe mir eine Spitzkehre ausgesucht.
Wie immer ohne Presseausweis, kann ich die Wagen von hinten einfangen, die die Herren mit Ausweis von vorne bekommen.

Klassesound! Rallye gefällt mir!

…und sie fliegen!

Im Gegensatz zu mir offenbar nicht die erste Rallye….

Habe ich ich jemals über Männer, die in schrecklicher Kleidungs ins Bild latschen beschwert?
Diese Damen schlagen alles. Sie stehen trotz mehrfacher Bitte, aus dem Bild zu gehen, schön mittig vor mir und den anderen reichlich genervten Fotografen.
Zu ihren Füßen haben sie ihre kleinen Kinder sitzen. Das alles ca. 10 Meter vor der Absperrung, hinter der die Zuschauer bleiben sollten.
Wenn da mal einer abfliegt…

Die anwesenden Polizisten können nicht einschreiten, sie müssen sich unterhalten und später Filmchen mit der Handy-Kamera machen.
Als ich Kollegen von ihnen anspreche, dass ich das mit den Kindern arg gefährlich finde, machen die Herrschaften (alle stehen im Pulk und plaudern mit den Kollegen) den Vorschlag, ich könne doch die Eltern ansprechen.
Die Eltern sind vor der Absperrung, ich stehe dahinter.
Ich gebe zu bedenken, dass dies doch vielleicht ihr Job sei und nicht meiner.
Keiner bewegt sich in Richtung der Kinder.
Kopfschüttelnd gehe ich weiter und sage zum Abschied, dass ich mich frage, wozu ich meine Steuern zahlen würde.
Da kommt dann Bewegung in die Plaudertruppe.
Sie werden ganz wach und murren im Chor.

Direkt über unseren Köpfen filmt ein Kamera-Heli.
Das sind sicher tolle Bilder aus der Perspektive.
Wenn zufällig der Chef der Beamten die Bilder sieht, kriegen sicher alle eine Belobigung.
Für besonders burn-out-vermeidendes Verhalten im Einsatz.
Lustiger wird es auf dem Betriebsauflug meines Nachbarn.

Das Team seines Bauernhofs sitzt oben auf einem der Berge und ist bestens ausgestattet.
Als ich mich der Gruppe nähere, ruft ein Mann zur Begrüßung:
„Da kommt ja Düsseldorf!“
Er hatte vorgestern mein Treffen mit den Kölnern mitbekommen.
Ganz lokalpatriotisch entscheide ich mich, die Rolle von Düsseldorf zu übernehmen,
antworte: „So siehts aus.“ und lasse mich zu den Füßen meiner Nachbarn ins Gras fallen.
Jetzt wird es richtig witzig.
Mit trockenem Humor wird das Rallyegeschehen von den Eiflern kommentiert.
Mein Nachbar hat sich besonders schick gemacht.
Er trägt seine Volvo-Hosenträger.
Wenn er nicht John Deere fährt, was seine Lieblings-Schleppermarke ist,
fährt er einen Volvo-Kombi.
Egal wie heiter der Anlass, der Eifler plaudert zwischendurch gerne mal übers Sterben.
Ich erinnere mich noch an einen Umzug zum ersten Mai, die Stimmung war fröhlich, das Wetter perfekt, vor mir gingen meine Vermieterin und eine Nachbarin und zählten mit Freude an der kompletten Auflistung alle im Kindesalter verstorbenen Bewohner des Ortes auf, auch heute: kein Rallye-Spaß ohne kurzen makaberen Ausflug…
Besonders viel Spaß hat die Truppe, als ein Rallyeteilnehmer sich mit einer Kurve verschätzt.
Er brettert ins Feld, und schiebt über einige hundert Meter einen riesigen Berg Stroh auf Motorhaube und Windschutzscheibe mit sich.
Das hält ihn nicht davon ab, fröhlich im Blindflug weiter zu fahren.
Die Kurve hat Geschichte.
Vor vielen Jahren hat ein Mann aus dem Ort, selbst kein guter Autofahrer, an derselben Stelle seiner Enkelin Fahrunterricht auf den Feldwegen gegeben.
Und diese ist in genau dieser Kurve geradeaus gefahren und somit auch ins Feld gerollt.
Seitdem heißt die Kurve hier im Ort nach dem Namen des Fahrlehrer-Opas.
Langsam wird es kühl auf dem Berg und das letzte Fahrzeug fährt zwischen den Feldern.
Ich bin sicher, es wird nicht meine letzte Rallye gewesen sein.