Weihnachtswunder

Auf meiner Fensterbank trocknet mein Weihnachtswunder.
Als mir am Nachmittag des 25.12. die Decke begann auf den Kopf zu fallen, beschloss ich an den Rhein zu fahren.
Eine Porschespritztour fiel ja leider aus, aber der treue Mercedes brachte mich durch den grauen Nachmittag ans Wasser.

Zuhause hatte ich ein Ovidzitat in einem Buch gelesen:
Überall herrscht Zufall. Lass deine Angel nur hängen; wo du’s am wenigsten glaubst, sitzt im Strudel der Fisch.

Der Wasserstand war hoch, der normale Weg durch die sandigen Buchten unmöglich.
Neben mir lärmte eine Familie und warf Steine ins Wasser.
Naja, wird es nur ein kurzer Ausflug, dachte ich, und machte mich auf den Weg zurück zum Auto.

Sobald ich am Strand bin, regrediere ich ins Grundschulalter und fange an, zu sammeln.
Eigentlich schaffe ich es nie nach hause, ohne mindestens einen schönen Stein, ein ungewöhnliches Stück Holz oder andere Preziosen.
Im Sommer habe ich einen Rückenwirbel gefunden.

An diesem Tag schien so gar nichts Besonderes für mich an Land gespült worden zu sein.
Aber kurz bevor ich den Deich erreicht hatte, sah ich es.
Ein perfektes weißes, geschnörkeltes Schneckenhäuschen.

So etwas gibt es im Rhein doch gar nicht, dachte ich.
Und als ich genauer hin sah, fand ich noch mehr.
Teile einer Seeigel-Schale, eine Vielzahl von verschiedensten Schneckenhäusern, wunderschöne Muscheln.

Alles eher Südsee als Rheinland.
Ein Wunder!

Verzückt sammelte ich.
Ovid hat recht!

Vielleicht hat nur jemand seine gekaufte Muscheldeko entsorgt.
Oder zur Wintersonnenwende ein Muschel-Mandala in den Sand gelegt.
Aber ich habe beschlossen, mein Muschel-Weihnachtswunder als gutes Omen für das Kommende zu deuten.

Gestrandeter Engel

Ich wähle die Nummer der Werkstatt meines Herzens.
Um die weibliche Kundeschaft zu erfreuen, stellt der Chef dort nur gutaussehende und charmante Männer an.
„Guten Morgen, hier ist der Weihnachtsengel, mein Porsche springt nicht an.“

„Guten Morgen Frau **** !“
Der hübsche Junge weiß wer dran ist, auch ohne dass ich meinen Namen sage.
Wir verabreden uns für „zwischen den Jahren“.
Zur Party morgen werde ich wohl unglamourös mit dem Mops-Taxi fahren müssen.

Dennoch bin ich guter Dinge und versende ein Video im Freundeskreis, auf dem die Möpse laut schnarchend auf der Couch liegen, während ich mit Helene Fischer im Duett „Maria durch ein Dornwald ging“ singe.
Die Hunde finden Weihnachtslieder langweilig und sind offenbar keine Schlagerfreunde.

Die Menschen um mich herum sind familiär nicht uneingeschränkt glücklich.
Mein über 80 jähriger Nachbar erklärte gestern entnervt, sein Sohn komme morgen zum Weihnachtsbesuch mit „Seinen drei Frauen“ (Tochter, Exgattin und neue Lebesgefährtin), das werde ihm alles zuviel.
Und bei meiner Freundin drehen momentan die Teenager-Töchter richtig am Rad.

Das Leben als Single-Weihnachtsengel hat seine Vorteile, perfekt wäre allerdings, wenn der Elfer mitspielen würde.

 

Ich war das nicht!!


BAAAAAM! Der Porsche steht!
Passend zur Wintersonnenwende und anarchistisch vor dem 24.12. fertiggestellt.
Ich war das natürlich nicht selber, ich habe ca. 1% gebastelt, den Rest hat, wie bei meinem großen Porsche, jemand anderes zusammengeschraubt.

Einen Staubschutz-Deckel gibt es nicht. (Passte wohl nicht ins Paket).
Und die Aufkleber, mit denen man ihn sportlicher hätte gestalten können, sind nicht aufgeklebt.
Alternativ zum Berg-Hintergrund hätte man auch einen Porsche-Werkstatt-Hintergrund haben können, dann hätte man allerdings die Skier gegen einen Reifenstapel austauschen müssen, und der ist wohl noch in der Eifel, zumindest fand ich ihn gerade nicht.

Wenn man auf den blauen Knopf drückt, ertönt, vorausgesetzt man macht Batterien rein, (auch nicht im Kalender dabei) ein semi-überzeugender Motorsound.
Sehr nachhaltig ist allerdings die Kalender-Recycling-Funktion:
Dreht man die einzelnen Kästchen um, ergibt sich ein Puzzle-Bild.
Das ist eine nette Idee.

Heute ist also die längste Nacht im Jahr.
Die Esoteriker machen Sonnenwend-Rituale, die konsumfreudigen Spießer machen noch zwei Stunden Weihnachts-Shopping, und ich?
Ich liege mit Finneas O´Connell auf der Couch und drücke ab und zu den blauen Knopf am Diorama.
https://www.youtube.com/watch?v=C62ApusprBA

An dieser Stelle einen dicken Kuss nach München! Erik, lass krachen, nächstes Jahr werden wir zwei Exgrundschüler 50.
Unfassbar…!

 

Anne Strecke

Ich war früher so viel an der Nordschleife, dass ich den nicht ganz hochdeutschen Beinahmen „Anne Strecke“ trug.
Im letzten Sommer war ich knappe 7 Minuten dort und diese endeten mit einem panischen Spurt zurück zum Auto.

Nein, ich habe keine schlimme Motorsport-Phobie entwickelt.
Gerne wär ich öfter dort gewesen.
Es hätte wochenlang Gelegenheit gegeben, da ich ungewöhnlich lange in der Eifel war.
Allerdings nicht alleine, sondern mit dem Rudel Hunde.

An meinem Haus hatte ich den Zettel: „Hundesitter gesucht“ aufgehängt, und auch auf der Homepage des Ortes inseriert.
Der Eifler findet diesen Job allerdings unattraktiv.
Für denselben Stundenlohn gehen die Frauen des Ortes lieber auf dem Campingplatz Toiletten putzen.

Wütend verfluchte ich zum zehntausendsten Mal den Mopsvater, der sich weigerte, nach unserer Trennung seinen Teil der Betreuung zu übernehmen.
Er fand es irgendwie attraktiver zu vergessen, dass er Tiere hat, und konnte seine Freizeit ohne jede Verpflichtung genießen.

Am Wochenende des Oldtimer Grand Prix war ich Freitagsmorgens also mit einem Auto voller Möpse zur Nordschleife aufgebrochen.
Wenigstens kurz wollte ich durch den Zaun schauen.
Ein guter Parkpaltz im Schatten, weit genug vom Lärm entfernt, war rasch gefunden, die Klimaanlage hatte den Innenraum auf angenehme Temperatur gebracht, ich eilte an die Strecke,

Verzückt blickte ich durch den Zaun, ein fremder Mann kam den Weg herauf.
„Gehört Ihnen das Auto mit den Hunden?“
„Ja, warum?“
„Da stehen Leute drum herum, die wollen die Polizei rufen und die Alarmanlage blinkt.“

Na super!
Ich wusste genau, was da wieder los war.
Immer wenn ich nach hektischem Supermarkt-Sprint zum Auto zurück kam, begrüßte mich das Blinken der Alarmanlage.

Die Polizei kam nicht, die Leute waren weitergezogen und noch atemlos fuhr ich ausgesprochen frustriert zurück auf meinen Berg.
Meine Freundin, selbst Mopsbesitzerin und auch Mercedes-Fahrerin hatte mir erklärt was passiert, und leider auch berichtet, dass sich das nicht abstellen ließe.

Wenn die Hunde, während sie auf Frauchen warten, im Auto hin und her springen, löst die Alarmanlage aus.
Bei mir war der Übeltäter mein älterer Rüde.
Alle anderen Möpse fahren in Transportboxen mit, er thront auf dem Beifahrersitz.

Und wenn Mutter das Fahrzeug verlässt, klettert er herum und die Karre blinkt…

Not sorry at all, mum!

Dichter und Denker dringend gesucht

An einem trüben Donnerstagmorgen sind die Hunde und ich gerade auf dem Rückweg nach Hause, als der Fiat 500 einer Nachbarin vor dem Bäcker hält.
Sie ist jetzt nicht tatsächlich die 150 Meter mit dem Auto zum Bäcker gefahren?
Doch. Ist sie.

Oft begegnet uns auch der Nachbar im BMW.
Er fährt zu einer Verwandten, die in der Parallelstraße wohnt.
Zu Fuß gibt es eine Abkürzung durch eine Gasse, direkt neben seinem Haus.
Zeitersparnis des PKW-Einsatzes: null.

Wann immer es geht, meide ich morgens die Zeit zwischen 7.30 und 8.00 Uhr.
Die Abgaswolke, die von den Elterntaxis rund um die Grundschule verursacht wird, erspare ich den Lungen meiner Tiere und mir.
Einige Eltern kenne ich vom Sehen, sie wohnen ca. 300 Meter von der Grundschule ihrer Kinder entfernt.
Kinder und Abgase? Denkt keiner drüber nach.

Stattdessen denkt Vati in der schweren Limousine an seinen coolen neuen Jeep, Range Rover, etc.
Der steht schön sauber vor dem Haus.
Wenn Papa sich wild fühlen will, nimmt er den für die Fahrt zur Arbeit.
Das Gelände wird dieses Fahrzeug nie sehen, außer vielleicht, das Autohaus lädt zu irgendeiner „Experience“ ein.

Auch mein ökologischer Fußabdruck ist durch zwei hochmotorisierte Fahrzeuge und zu viel Wohnfläche zu tief.
Fehlende Fernreisen und vegane Ernärung reißen das nicht ausreichend raus.
Dennoch benutze ich meine Füße regelmäßig, und auch mein Fahrrad.

Ich bin ziemlich sicher, Füße und Fahrräder sind auch bei besagten Nachbarn vorhanden, aber das Volk der Dichter und Denker verkommt immer mehr zu einem Volk der maßlosen, hirnfreien Lenker.

 

Coming of Age

Jeden Morgen, früh, es war noch dunkel, saßen sie zusammen am Frühstückstisch.
Ich lief mit den Hunden auf der Pipirunde an ihrem Haus vorbei, und sie saßen dort zusammen.
Ich im Dunklen, die beiden im Licht.
Ich alleine, das Paar in Zweisamkeit.

Oft wäre ich am liebsten über ihrem Jägerzaun weinend zusammengebrochen.
Ich fühlte mich so alleine und hoffnungslos.
Aber irgendwie lässt Frau sich dann doch nicht in den Vorgarten anderer Leute fallen.

Stattdessen geht man weiter.
Jeden gottverdammten Morgen.
Und irgendwann wird es Frühling, die Tage werden länger und es wird früher hell.
Im Esszimemmer der beiden brennt kein Licht mehr, und stoisch dreht man weiter seine Runde.

Nun ist es wieder Winter und die beiden frühstücken wieder.
Aber ich kann ganz entspannt an ihnen vorbei gehen.
Letzten Sonntag war ich bei einer Veranstaltung, in deren Verlauf die Teilnehmenden aufgefordert wurden, eine Partnerübung zu machen.

Als die Leiterin mich ansprach, hörte ich mich sagen:
„Ich mag im Moment keinen Partner haben.“
Mich das sagen zu hören, hat mich ausgesprochen überrascht.
Und erfreut.

War ich das?
Hab ich das tatsächlich gesagt?
Ja.
Und ich habe es sogar ernst gemeint.
Ich war mir selbst genug.

Wow.
Vielleicht werde ich jetzt, wer ich bin.
Eine Frau, die glücklich ist, mit ihren liebevollen Hunden ein freies Leben zu führen.
Ein Rudel Möpse und ein Porsche, verschroben, wirre Haare, wilder Blick…

Ach, und der Kalender?
Der darf nicht mehr mitspielen.

Auto-Tourette

Das Thema Porsche-Adventskalender ist heute schnell abgehandelt.
Im Kästchen Nr. 5 war genauso ein Pappteil, wie in Kästchen Nummer vier.
Unglaublich einfallsreich vom Hersteller!

Ich war heute viele Stunden auf deutschen Straßen unterwegs.
Im Radio kam laufend die Nachricht, man denke über die Streichung der Pendlerpauschale nach, und wolle die Benzinpreise tüchtig erhöhen, um die Klimaziele zu erreichen.

Auf einmal haben alle Klimaziele, am liebsten, wenn es nur die anderen etwas kostet.
Als ich fassungslos auf das Fahrzeug vor mir blickte, hatte ich eine großartige Idee, wie man den Schadstoffausstoß drastisch reduzieren könnte.
Erstmal die Hürden hoch, für den Führerschein!

Runter von den Straßen mit den ganzen Verhaltensauffälligen!
Der Halter des Fahrzeugs vor mir hatte neben Mittelfingerbildchen und der netten Nachricht „Eat Shit“ gleich mehrfach „Fuck you“ und  „Fuck everybody“ auf sein Auto geklebt.


Eine rollende Diagnose würde eine Kollegin von mir sagen…

Hard Candy Christmas

Ich bringe mich in Stimmung für das heutige Kalender-Desaster.
Youtube spielt die wunderbare Dolly Parton, aus dem kleinen Bordell in Texas erklingt das leicht schwermütige „Hard Candy Christmas“, seufz.
Ich atme tief durch… und öffne die vierte Schachtel.

Auf dem ersten Blick scheint sie leer zu sein.
Aber dann entdecke ich das Pappkärtchen.
Es sieht aus wie aus einem Puzzle mit sehr wenigen Ecken.
Herr Lewandowski: „Stecken Sie die Tafel vorsichtig in den linken Schlitz auf der Oberseite der Kunststoffbasis.“

Och, denke ich, nö. Und schiebe die Karte zurück ins Kästchen.
Das Kästchen zurück in den Kalender.
Das verschneite Bergpanorama kann die Person vorsichtig in irgendwelche Schlitze stecken, die auch den Aufkleber und die Gumminippel anbringen will.

Das Leben ist zu kurz, um Dinge zusammen zu bauen!
Ich sinke zurück in die Couchkissen und singe lauthals mit.
„Maybe I´ll get a car, maybe I´ll drive so far that I´ll lose track.“

Gestern telefonierte ich mit meiner Cousine, Sie fragte, was ich an den Feiertagen machen würde.
Die Möpse und ich verbringen das zweite Weihnachten in Folge alleine.
Das hat gleichermaßen Vor- und Nachteile.

Am Ende der Feiertage bin ich vermutlich weniger gestresst als der Großteil der Nation, aber auch etwas vereinsamt.
Am Nachmittag des zweiten Feiertages geht es (bei gutem Wetter im Elfer) wieder unter Menschen, die alljährliche Party in Wuppertal.

„I’ll be fine and dandy
Lord it’s like a hard candy Christmas
I’m barely getting through tomorrow
But still I won’t let
Sorrow bring me way down“