Mein furchtbarer Bruder

Es ist eine Szene wie aus einem Film, sie läuft auf dem Display meines Handys.
Eine einsame, leere Landstraße mit langgezogener Kurve.

Mit hoher Geschwindigkeit nähert sich ein Auto, man hört es kreischen, es driftet durch die Kurve. Mir schnürt es beim Zusehen die Kehle zu, weil ich denke, dass es jeden Moment krachen muss.

Es ist auch ein Film.
Mein blöder Bruder-im-Geiste hat ihn mir per whatsapp geschickt.
Er fährt dieses Auto.
Und er kann das verdammt gut.

Trotzdem will ich sowas nicht sehen.
Der Gedanke, dass ihm bei einem solchen Manöver etwas zustoßen könnte, ist absolut unerträglich.

Er ist der Mann, um den es schon im Post vom 1.6. ging.
Offenbar macht er es sich zur schönen Gewohnheit, mir einmal im Monat Angst einzujagen.
Andere Männer finden toll, was er macht.
Eine ganze Reihe von Ihnen haben damals den Driftpost korrigierend kommentiert.

Ich will weder meinen Porsche mit halsbrecherischer Geschwindigkeit über die Bahn jagen, noch mit ihm unter den Wahnsinnigen auf der Nordschleife herum fahren und ich will auch nicht driften.
Ich verstehe nicht, warum Leute diesen Thrill brauchen.

Fachlich kann ich es mir erklären, aber ich kann es nicht nachfühlen. Es macht mir nur Angst.
Da hilft auch kein Benzin im Blut.
Ich bräuchte dafür deutlich enthemmendere Substanzen in meinen Adern.

Vielleicht bin ich eine einsame Ausnahme in der Porscheszene.
Die Motormemme vom Dienst.
Das passt zu meiner noch immer nicht abklingenden Porsche-Paranoia.
Aber dazu morgen mehr.

Fahr nicht so wild, Bro.!!!
Nicht immer ist es weise, alles zu tun, was man tun kann.  :-*

The long way home

Sonntagmorgen in der Eifel.

Brötchen sind im Haus. Aber neben dem Haus wartet der Porsche.

Schnell steht der Entschluss, andere Brötchen müssen her! Also in den Nachbarort zum Bäcker. Zwei ältere Eifler werfen interessierte Blicke, als sie den Porschesound hören. Die Eifler mögen Autos.

Ein kleines, moppeliges Mädchen, furchtbar angezogen mit Leggins, ungekämmten Haaren und Hund an der Leine, geht vorbei, schaut rüber und schenkt mir und dem Porsche das schönste Lächeln der Welt.

Jetzt könnte ich eigentlich zurück fahren und die Brötchen essen. Der Porsche will noch nicht nach hause. Also mache ich einen kleinen Umweg. Auch die steilsten Berge nimmt er mit Leichtigkeit flott, die Straße ist frei und er schnurrt. Im Radio läuft Musik, die ich mag.

Am Kreisverkehr erscheint ein anderes Auto vor mir. Mist denke ich, keine freie Bahn mehr. Aber in dem kleinen Wagen sitzt ein junger Mann, der rast, wie alle jungen Männer hier. Und er kennt jede Kurve der mir unbekannten Strecke.

So zischen wir im Slalom über die Eifelhügel, er voraus, ich dicht hinterher. Das macht Spaß! Irgendwann drehe ich ab. Ich wohne ganz woanders…

Kurz bevor ich zu meinem Ort abbiegen muss, kann ich den Impuls nicht unterdrücken, noch ein Stück durchs Ahrtal zu fahren. Umweg Nummer 2. Wieder hab ich die Straße für mich, perfekte Kurven, eine nach der anderen.

Schließlich geht es den Berg hoch, am See vorbei durch eine wunderbare langgezogene Kurve. Man kann sie schnell durchfahren. Im Sommer tun die Eifeljünglinge dies mit Vorliebe und brüsten sich mit kreischenden Reifen vor den am See badenenden Kumpels und jungen Damen.

Ich bin eine Frau mittleren Alters und sehe davon ab, die Sonntagsstille mit einem anderen Geräusch als dem satten Sound meines Motors zu zerstören.

Dann komme ich in der winzigen Straße oben auf dem Berg an. Während ich frühstücke steht der Porsche knisternd neben dem Haus.

Gleich werde ich wieder raus gehen. Spazieren, zu Fuß.