Wenn Leute einem etwas mitbringen

Angst auf dem Parkplatz.
Nein, nicht, weil ich keinen sicheren Parkplatz für meine Porsche gefunden hätte.
Das war- absurd aber wahr- das Thema meines Traums letzte Nacht….

Heute früh auf dem Supermarktparkplatz wäre ich gleich zweimal beinahe überfahren worden.
Viel zu schnell fuhren Menschen viel zu nah an mir vorbei, während ich zu Fuß, ohne schützende Blechülle, von ihrem Fahrtwind angepustet wurde.

Warum sind die am Morgen schon so aggressionsbereit?
„Kriegt Euren Mist in den Griff!“ ging es mir durch den Kopf.
Schon klar, ich bin auch nicht Superwoman, auch ich bin schon gereizt gefahren, weil ich gestgresst war.

Im Beruf ging es dann weiter.
Viele Situationen, in denen es darum ging, dass Gefühle, die mit einer Situation gar nichts zu tun haben, diese dominieren.
Wenn ich davon nicht direkt betroffen bin, komme irgendwie besser damit klar.

Abends kam es leider zu einer deutlich persönlicheren Betroffenheit.
Klar, auch hier wasche ich meine Hände nicht in Unschuld.
Meine Partner haben schon oft meinen Stress abbekommen.
Oder irgendeine alte Angst.

Warum schleifen wir diesen ganzen unbewältigten Emotionskrempel überall mit hin und lassen ihn dann irgendjemandem vor die Füße krachen?
Fremden auf dem Parkplatz oder geliebten Personen auf der Couch.
Gibt es einen Weg das zu verhindern?

Wie sieht der aus?
Hochfrequente Psychotherapie im Wechsel mit buddhistischen Retreats?
Hochfrequentes Heilporschefahren im Wechsel mit oxytocinreichem Dauerkuscheln nach nervlicher Belastung?

Letzteres wäre es vermutlich für mich.
Klappt aber leider nicht immer, wenn ich es bräuchte.
Aber so kann es nicht weiter gehen.
Wir müssen unsere Arbeitsplätze, unseren Straßenverkehr und unser Zuhause zu Orten machen, an denen Lebensqualität nicht dadurch reduziert wird, dass uns irgendein Gefühl gerade in der Zange hat.

Driften. Er will driften!

Samstagmorgen. Ich liege noch im Bett und die Welt ist in Ordnung.

Mein Bruder im Geiste und Mitporschebesitzer schickt seinen Morgengruß aus dem Süden und verkündet, er wolle heute driften gehen. Er macht dauernd irgenwelche gefährlichen Sachen und rast mit irrem Tempo durch die Gegend.

Auf einmal bin ich wach, sehr wach.

Doch wohl nicht mit dem Porsche!
Ich kenne kaum einen Menschen, der so pingellig mit seinem Auto ist. Er poliert und bezieht ihn mit Steinschlagfolien und was nicht alles.

Doch, klar mit dem Porsche.
Und dann kommt, was kommen musste.
Das unglaubwürdigste Argument der Welt.
Ich habe es bisher immer nur aus dem Mund von Männern gehört: man müsse doch sein Auto im Grenzbereich kennen, damit man es in Gefahrensituationen beherrschen kann.

Bullshit.
Damit man im Stress einer Gefahrensituation wirklich die richtige Reaktion zeigt, müsste man so viel Grenzbereichssituationen üben, und zwar laufend, dass man seine Berufstätigkeit an den Nagel hängen könnte.
Es irgendwann mal an einem Wochenende zu tun, und sich dabei wild und lebendig zu fühlen, reicht schlicht nicht aus.
Denn die Gefahr kommt ja nicht unmittelbar danach. Sondern hoffentlich nie oder erst viel später.

Und überhaupt das Wort „Grenzbereich“!
Da kriegen die Jungs schon leuchtende Augen. Grenzbereich ist cool, da ist man ein echter Kerl!
Ich will da gar nicht hin.
Mein Porsche und mein Leben sind mir lieb und teuer und meine Coolness beweise ich weder mir, noch der Welt  im Auto.

Ich besitze einen Motorradführerschein, und um diesen zu erwerben, übt man Bremsmannöver immer arg nah am Blockieren der Bremsen. Beim Motorrad macht es Sinn, dort liegt die maximale Bremskraft kurz vor dem Punkt, an dem die Bremse blockiert. Und man kommt im Alltag diesem Punkt oft auch nahe.
Das ist beim Porsche aber anders.

Was ist also los mit all den Männern, die auf beregneten Plätzen ihre Autos schnell im Kreis bewegen, oder versuchen möglichst flott um Plastikpinöppel zu kurven?
Ist deren Porschefahrerleben wirklich so viel riskanter als meins?

Natürlich nicht.

Sicher macht es Spaß, seine Fahrtechnik zu schulen. Und es macht stolz, sein Fahrzeug gut zu beherrschen. Aber dabei geht es um etwas völlig anderes als um die Vorbereitung auf den echten Straßenverkehr.

Diese Herren sind „sensation seeker“. So werden Menschen in der Psychologie bezeichnet, die immer nach neuen Reizen suchen. Und zu 70% ist dieser Persönlichkeitszug angeboren.
Sensation seeker suchen körperlich riskante Aktivitäten, mögen einen unkonventionellen Lebensstil, streben nach sozialen Stimulationen und sind anfällig für Langeweile.

Nicht überraschend, dass mein geliebter Seelenbruder auf seinem Whatsapp-Profilfoto gerade mit einer Crossmaschine durch die Luft fliegt.

Ganz fremd ist mir ein solches Persönlichkeitsprofil nicht, aber meine Ängstlichkeit schiebt einen dicken Riegel vor körperlich riskante Aktivitäten.

Da mein mir manchmal so fremder Bruder im Geiste sich durch all meine Einwände nicht davon abbringen lässt, verbleiben wir so, dass er sich meldet, wenn er mit dem Driften fertig ist, so dass ich aufhören kann, mir Sorgen zu machen.

Wie das seine Frau aushält, ist mir absolut schleierhaft. Klar, sie kennt ihn nicht anders und hat ihn so geheiratet, aber mich würde ein so wilder Mann in den Wahnsinn treiben.

Jetzt pass verdammt nochmal auf Dich und den Porsche auf, Bruder!